Kunststoff-Verpackungen digital recyceln?
Digital recyceln? Geht doch nicht! Geht wohl!! Natürlich werden die Verpackungen nicht in Bits und Bytes zerlegt und dann im Internet wiederverwertet. Bei „R-Cycle“, so der Oberbegriff, geht es um das richtige Sammeln der Kunststoffabfälle. Das ist nämlich für die spätere Verwertung enorm wichtig.
Wer heute seinen Joghurtbecher in den Gelben Sack wirft, kann fast sicher sein, dass der nicht als Joghurtbecher wiederverwertet werden kann. Der Grund ist einfach und gleichzeitig ein großes Problem: Verpackungen bestehen aus vielen verschiedenen Kunststoffsorten und zum Teil noch weiteren Materialien, wie der Aludeckel des Bechers. Die Sensoren der Müllsortierungsanlage sind aber noch nicht in der Lage, die unterschiedlichen Wertstoffe ausreichend präzise zu trennen. Deshalb kann vereinfacht gesagt, nur eine qualitativ minderwertige Mischung aus verschiedenen Kunststoffen aus dem Abfall gewonnen werden. Diese kann bestenfalls nur für minderwertige Neuprodukte verwendet werden. In der Regel wird sie jedoch verbrannt. Fachleute nennen das „thermische Verwertung“ oder Müllverbrennung. Die daraus entstehende Wärmeenergie wird genutzt zur Wärmeversorgung oder Stromerzeugung. „Da genau liegt die Krux des Systems“, sagt Experte Dr. Benedikt Brenken vom Troisdorfer Kunststoff-Maschinenhersteller Reifenhäuser und Direktor der unternehmensübergreifenden R-Cycle Initiative: „Der Kunststoff wird nicht als wichtiger Rohstoff für neue Kunststoff-Produkte verwendet, sondern lediglich verbrannt und hinterlässt nicht recycelfähige Asche. Etwa 67 % aller Kunststoffabfälle in Deutschland landen so in der Verbrennung.“
Ein Problem ist dabei eben der unglückliche Materialmix.. „Eine Verpackung besteht oft nicht nur aus einer Schicht, sondern aus mehreren und oft unterschiedlichen Materialien. Das kann noch keine Müllsortierung der Welt auseinandernehmen. Wir müssen also daran arbeiten, bei Verbundmaterialien möglichst nur dieselben Kunststoffe zu verwenden. Bei Reifenhäuser haben wir dafür ein neues Endprodukt entwickelt, was wir All-PE-Pouch nennen – die ganze Verpackung ist aus mehreren Schichten aufgebaut, aber alle bestehen aus Polyethylen (PE)“, sagt Dr. Brenken weiter.
Im nächsten Schritt muss die Müllsortierung nun das Material erkennen. Aber wie kann sie das?
Da hat sich das „R-Cycle-Konsortium“, zu dem nicht nur Reifenhäuser gehört, sondern auch Kautex Maschinenbau aus Sankt Augustin sowie weitere bekannte Maschinenhersteller oder große Verpackungsproduzenten, etwas ganz Raffiniertes ausgedacht: Die Materialien bekommen einen „digitalen Stempel“, eine Art QR-Code. Dieser wird außen auf der Verpackung angebracht und ist für das menschliche Auge unsichtbar. Die Sensoren der Müllsortierung können es aber scannen und dann richtig zuordnen.
Damit dies nicht nur im Rhein-Sieg-Kreis, Bonn oder NRW funktioniert, hat sich das Konsortium mit der Firma „GS1 Germany“ zusammengetan. GS1 ist sozusagen das weltweite Normungs-Gremium, das darüber wacht, das beispielsweise Barcodes auf Verpackungen überall auf der Welt funktionieren und ausgelesen werden können. Somit kann GS1 dafür sorgen, dass das System R-Cycle, wenn es bis zu Ende entwickelt wurde, überall auf der Welt eingesetzt werden kann. Vergleichbar wäre dies mit maschinenlesebaren Ausweisen, die an allen Grenzen der Welt gelesen werden können. Oder wie ein internationaler Impfpass, der wahrscheinlich bald Wirklichkeit wird.
Wird diese Vision Wirklichkeit, können nicht nur industrielle Abfallsortieranlagen sondern auch ein einfacher Arbeiter in Bangladesch mit einem Handscanner den Joghurtbecher erkennen und dem richtigen Wertstoffkreis zuordnen. Damit wird Müll überall auf der Welt wertvoll, würde nicht achtlos weggeworfen oder müsste um den halben Erdball transportiert werden, nur um ihn dort am Strand in einer Müllkippe zu entsorgen, wo ihn der Wind aufs Meer trägt und in den Ozeanen für eine zunehmende Kunststoff-Vermüllung sorgt.
Bilder: RCycle_Concept DE (oben), R30107 Reifenhäuser Pouch Design PRES – 02.j pg (Mitte), RCycle_keyvisual_komplett + Logo (unten)